1. Akt, 1. Bild
Kater liegt auf der Bühne und schläft. Musik. Kater ist alt und räudig, und manchmal faucht er im Schlaf. Archie tritt mit einer Dose Katzenfutter auf. Eine Stimme aus dem Off.
Kater:
Das bin ich. Ich heiße Friedrich. Und ich bin sechzehn.
Das ist schon ziemlich alt. Für einen Kater jedenfalls.
Kater streckt sich und guckt Archie an.
Das da neben mir ist mein Mensch. Ich habe ihn zur Taufe geschenkt bekommen. Mein Mensch heißt Archie und ist genauso alt wie ich. Aber für einen Menschen ist sechzehn natürlich noch ziemlich jung.
Archie füttert Kater.
Ich mag meinen Menschen. Meistens jedenfalls. Wenn ich hungrig bin, füttert er mich, wenn ich mich auf den Rücken lege, krault er mich, und wenn ich an die Schlafzimmertür pinkel, macht er mein Katzenklo sauber. Meistens jedenfalls.
Mutter:
Warum hast du den Tisch nicht gedeckt?
Archie:
Mach ich gleich.
Mutter:
Gleich ist nicht jetzt!
Kater:
Die Frau da ist die Mutter von meinem Menschen. Wenn sie von der Arbeit kommt, ist sie meistens müde, weil sie in der Fabrik so viel arbeiten muß. Und wütend, weil sie damit so wenig Geld verdient. Aber eigentlich ist sie eine nette Frau. Sie mag mich.
Friedrich rollt sich zur Kugel und schläft ein.
Mutter:
Was hast du eigentlich den ganzen Tag gemacht?
Archie:
Nichts.
Mutter:
Du bist sechzehn! Du kannst nicht den ganzen Tag mit deinem uralten Kater zu Hause hocken und die Wand anstarren!
Archie:
Friedrich ist nicht alt. Friedrich ist genauso alt wie ich.
Mutter:
Sechzehnjährige Kater SIND uralt! Außerdem stinkt er aus dem Mund. Und er hat schon wieder vor die Schlafzimmertür gepinkelt.
Archie:
Ist doch egal.
Mutter betrachtet Friedrich.
Mutter:
Wenn du in der Fabrik anfängst, werden wir ihn eh einschläfern lassen müssen.
1. Akt, 5. Bild
Am Bahnhofsklo. Archie kommt mühsam zu sich. Kater liegt eingerollt neben ihm. Egon hält ihm einen Kaffee hin.
Egon:
Hier. Trinken.
Archie:
Was ist das?
Egon:
Fängst du schon wieder an? Milde Spende von der Boshammer-Fabrik.
Egon wirft Archie ein trockenes Brötchen zu.
Archie:
Aua!
Archie beißt in das Brötchen und verzieht das Gesicht.
Egon:
Die Reste sind sie wahrscheinlich nicht mal mehr als Viehfutter losgeworden.
Paul:
Hättest du nicht gedacht, daß wir so ein edler Laden sind, was?
Bei uns gibt’s Antiquitäten zum Frühstück.
Alle lachen böse.
Egon:
Den Fraß schicken sie rüber zu uns, damit wir nicht aufmucken.
Paul:
Red keinen Blödsinn. Ist denen doch egal, ob wir aufmucken oder nicht. Was können wir paar Würstchen schon ausrichten?
Egon:
Wenn die so weiter entlassen, sind wir hier am Bahnhof bald mehr als in der Fabrik. Da könnten wir doch mal gemütlich rüber spazieren und uns den Laden zurückholen.
Paul:
Jetzt werd mal nicht kommunisitsch, Egon. Der Laden gehört dir nicht.
Baby Wichtig:
Aber diesen Knalltüten gehört er, oder was? Mit dem, was die an mir gespart haben, bevor ich rausgeschmissen worden bin, haben die sich den halben neuen Wagenpark angeschafft. Von der Flotte gehören mir mindestens drei Porsche.
Egon:
Mensch, Baby Wichtig! Da bist du ja quasi Aktionär!
Baby Wichtig:
Meine Rede. hält das Brötchen hoch Und leben tu ich von der Dividende!
Allgemeines Gegröle. Archie macht große Augen Lisa tritt energisch-fröhlich auf.
Lisa:
Guten Morgen, meine Herren! Könnte eventuell einer von ihnen mir sagen, wo ich hier zu den Taxen komme? Ich habe den Schaffner gefragt, aber ich habe offensichtlich nicht ganz aufmerksam zugehört.
Archie starrt Lisa mit offenem Mund an.
Paule:
Da lang.
Lisa:
Oh- sie sind Musiker! Das ist ein Cello, nicht wahr? Ich spiele selber ein wenig- nur als Hobby, aber doch mit Ehrgeiz. Ich finde, man sollte alles im Leben mit Ehrgeiz tun. Meine Mutter sagt immer, eine musikalische Grundausbildung schult die Auffassungsgabe und das musizieren in der Gruppe fördert die Teamfähigkeit. Es muß eine sehr erfüllende Existenz sein.
Paul:
Was?
Lisa:
Das Leben als Musiker.
Paul:
Ich bin kein Musiker.
Lisa:
Pardon?
Egon:
Haste mal ein bißchen Kleingeld?
Lisa:
Was- oh! OOH! Das ist mir aber jetzt unangenehm. Sie sind die obdachlosen Arbeitslosen von denen meine Mutter mit erzählt hat, nicht wahr? Sie Ärmsten! Was für ein schreckliches Schicksal.
Egon:
Ob du’n bißchen Kleingeld hast!
Lisa:
Ja, sicher, ich meine, das tut mir so leid, sie können ja nichts dafür, daß unsere Gesellschaft für einen so großen Prozentsatz einfacher Menschen bedauerlicherweise keine Verwendung mehr hat.
Hält ein Geldstück lächelnd in die Höhe
Lisa:
Wobei ich mir sicher bin, daß auch Sie mit etwas mehr Energie und einer positiveren Arbeitseinstellung ihre Lebenssituation deutlich verbessern könnten-
Lisa wirft Archie die Münze in den Kaffee.
Archie:
Hey!
Lisa:
Oh mein Gott! Das war ihr Kaffee! Das ist mir jetzt aber peinlich.
Archie:
Glaubst du ich bettel hier, oder wie?
Lisa:
Bist du- sind Sie denn kein Obdachloser?
Archie: empört
Natürlich nicht!
Paul:
Natürlich doch!
Egon:
Hat sich bloß noch nicht daran gewöhnt.
Baby Wichtig:
Geniert sich noch so ein bißchen für seine neue Verwandtschaft.
Archie:
Aber-
Lisa:
Dafür müssen sie sich doch nicht schämen! Natürlich ist es für einen so jungen Menschen ganz besonders tragisch, wenn er keine Perspektive hat. Aber es ist nur teilweise ihre Schuld, daß die moderne Welt nur noch den wirklich Begabten eine Chance bietet!
Archie:
Moment mal! Ich bin begabt!
Lisa:
Natürlich! Aber die heutigen Ansprüche sind halt so unglaublich hoch und ohne eine gute Schuldbildung wie zum Beispiel ich sie auf meinem Internat erhalte-
Archie:
Du meinst nur weil ich nicht so eine unglaubliche Masse Müll pro Minute erzeuge wie du bin ich weniger wert, oder was?
Lisa:
Aber überhaupt nicht- moment mal! Das war jetzt aber nicht sehr gut erzogen.
Archie:
Wie gut erzogen ist denn das, fremden Leuten Geld in den Kaffee zu schmeißen?
Lisa:
Ich wollte es Ihnen ja auch eigentlich direkt zukommen lassen.
Archie:
Auf milde Gaben von so jemandem wie dir, da pfeif ich drauf!
Penner:
Junge! Hey! usw.
Archie:
Gehört doch sowieso alles uns, was die im Portemonnaie hat!
Lisa: kriegt es mit der Angst
Na hören Sie mal! Das ist mein Taxigeld!
Archie: zeigt auf Baby Wichtig
Was interessiert mich dein Taxigeld? Dem da gehören drei Porsches von Euch!
Baby Wichtig:
Nun ja...
Lisa:
Das.. das.. also, das muß ich mir nicht bieten lassen.
Archie: hält ihr den Kaffee hin
Ich mir DAS auch nicht!
Lisa:
Dann nehm ich‘s halt zurück!
Lisa nimmt den Kaffee und weiß nicht, was sie tun soll. Dann hält sie Archie den Becher wieder hin.
Archie:
Was soll das?
Lisa:
Trinken Sie!
Archie:
Ich hab keinen Durst. Trink Du doch.
Lisa:
Ich kann einem Obdachlosen nicht seinen Kaffee weg trinken. Das widerspricht meinem Gerechtigkeitssinn.
Hält Archie den Becher hin.
Archie:
Und ich kann von einer Oberschichtschnepfe kein Geld annehmen. Das widerspricht MEINEM Gerechtigkeitssinn.
Lisa: fixiert Archie
So wie es aussieht, haben wir ein Problem.
Stehendes Bild. Schließlich geht Egon dazwischen und nimmt den Becher.
Egon:
Kinder, das ist ja nicht mit anzusehen.
Egon trinkt den Becher in einem Zug aus und holt schließlich die Münze aus dem Mund.
Egon:
Danke für den Kaffee. Und den hier behalt ich auch.
Lisa:
Gern geschehen. Ich helfe immer, wo ich kann. zu Archie
Obwohl mir natürlich klar ist, daß wahlloses Spenden Leute wie Sie nur davon abhält, aktiv etwas an ihrer erbärmlichen Situation zu ändern. zu den Pennern
Auf Wiedersehen, die Herren.
1. Akt 9. BILD
Vor der Boshammerschen Villa. Kater und der halb ausgezogene Archie.
Archie:
Kannst du mir bitte mal erklären, was das soll?
Kater:
Ich revanchiere mich! Du hast mir das Leben gerettet, und ich sorge dafür, daß wir beide in Zukunft wieder dreimal am Tag gefüttert werden.
Archie:
Gib mir meine Jacke!
Kater:
Hose aus.
Archie:
WAS?
Kater:
Wer ein neues Fell haben willst, muß erst einmal des Alte ausziehen. Ich denke, ihr Menschen seid die vernünftigen Wesen?
Archie:
Aber dann bin ich nackt!
Kater: zieht sich die Stiefel an
Na und? Ist doch schön! Ich werde nie begreifen, warum ihr Euch diese unbequemen Dinger antut. Aua! Ist ja ekelhaft.
Archie:
Ich zieh mich nicht aus.
Kater: besieht sich
Und bekloppt aussehen tut es auch noch.
Archie:
Und schon gar nicht vor Dir!
Kater:
Hey! Ich bin dein Schmusekätzchen! Weißt du, wie oft ich dich schon nackt gesehen habe?
Archie:
Da wußte ich ja auch noch nicht, daß du-
Kater:
Das ich denken kannn? Aber jetzt weißt du’s. Und deswegen ziehst dich auch aus, legst dich hin und tust, was ich dir sage.
Archie:
Das werde ich bestimmt nicht tun!
Kater:
Warum seid ihr Menschen bloß immer so kompliziert?
Kater haut Archie auf den Kopf und zieht ihm die Hose aus. Musikeinsatz Kater zieht sich die Hose an.
Kater:
Entschuldige, aber es ist nur zu deinem Besten!
Kater klingelt bei Frau Boshammer Sturm.
NO 8 FINALE
Kater:
Miau, Miö, ohjemineh!
Miau, mon cour, mein lieber Herr!
Ding Dong! Ding Ding! Mein lieber Gott
wir brauchen Hilfe, aber flott!
Direktorin Boshammer lehnt sich aus dem Fenster
Boshammer:
Was soll der Lärm kurz vor halb drei?
ich träumte grad und schlief dabei!
Kater: I.
Verzeih‘n sie, wenn ich so spät stör:
Mein Herr ,der Multimillionär
den sie hier leblos vor sich sehn
Wie Gott ihn schuf so jung und schön
dem klaute man sein Portemonnaie!
Boshammer;
Ein Millionär vor unserem Haus?
Sekündchen nur; ich komm mal raus.
Archie: kommt zu sich
Warum mir wohl so komisch ist?
Kater:
Bleib wie du bist
Kater schlägt ihn wieder bewußtlos. Frau Boshammer kommt aus dem Haus.
Boshammer:
Hier bin ich! Nun, was ist passiert?
Kater: II.
Mein Gnäd’ger Herr ward attackiert!
zudem so boshaft raffiniert
ein schwarzer Mann, ein Hinterhalt
ein Messer, eine Hand so kalt
die sich in unsre Hälse krallt-
Wir kommen grad von nem Termin
beim Grafen Katz- sie kennen Ihn-?
in unserm schönsten Ausgehfrack-
Archie: kommt zu sich
Mein Gott! Ich bin ja völlig nackt!
Kater:
-da kommt ne Horde Arbeitslose
und klaut uns Ausweis, Geld und Hose!
das ,was den Mensch zum Menschen macht
ward meinem Herrn geraubt heut Nacht!
Boshammer;
Nun ja, das ist zwar fürchterlich
doch was betrifft das Ganze mich?
Kater;
Natürlich nichts! Doch dacht ich schon
es ginge Frau Direktor an:
Ist doch mein gnäd‘ger Herr der Sohn
von der Fabrik- gleich nebenan!
Boshammer: III.
Der Erbe von der Konkurrenz?
Das macht natürlich Differenz!
Der arme Erbe! Plötzlich fühl
ich hier ein tot geglaubt Gefühl-
Kater:
Ich glaub, das nennt man Mitgefühl!
Kater+ Boshammer:
Jetzt wachsam sein und nachgedacht
dann wird heut Nacht Gewinn gemacht
mit etwas Schädel und Geschick
Boshammer:
krieg ich heut nacht noch die Fabrik
Lisa kommt aus der Tür.
Lisa:
Was ist da draußen für ein Lärm
wo ich grad so für Archie schwärm?
Boshammer:
Mein liebes Kind, du ahnst ja nicht
was hier passiert! Hol rasch ein Licht!
Kater+ Lisa
Ein Licht?
Kater:
Verflixt!
Boshammer:
Jetzt eile doch!
Kater:
Am End erkennt sie Archie noch!
Was blutet da? Am Kopf ein Loch!
Boshammer:
Oh Gott! Am Ende stirbt er noch!
Kater:
Ich wickel um den Kopf das Hemd!
apart
Damit ihn keiner mehr erkennt.
Archie:
Was wird mein Schädel mir so schwer
und plötzlich seh ich auch nichts mehr!
Lisa kommt wieder. Kater schiebt den bandagierten Archie in Richtung Boshammer
Lisa:
Hier ist das Licht!
Kater:
Hier ist mein Herr!
Boshammer:
Ganz meinerseits! Es freut mich sehr!
Mach einen Knix! Ist das so schwer?
Lisa:
Warum?
Boshammer:
Jetzt frage nicht so dämlich!
Sei freundlich! Vor uns steht hier nämlich
ein wirklich reizend junger Mann
breit: der Erbe der Fabrik von nebenan!
Alle:
Jetzt wachsam sein und nachgedacht
dann wird heut Nacht Gewinn gemacht
mit etwas Schädel und Geschick
geht es heut Abend um mein/dein Glück
Wer kriegt hier wen? Wer die Fabrik?
Boshammer:
Mein Lieber! Ich hab nachgedacht-
und festgestellt, es wär doch nett
verbrächten sie den Rest der Nacht
in unserm schönen Gästebett!
Lisa:
Aber-
Boshammer: zieht Archie ins Haus
Am Morgen dann, beim Frühstücksbrot
daß Ihnen Lisa gerne backt
hätt ich für Sie ein Angebot-
Kater:
Jetzt ist die Katze drin im Sack...
Kater will folgen, aber Frau Boshammer hat schon die Tür zugemacht. Kater zuckt die Achseln.
Kater:
Kleider machen vielleicht Leute
aber eins bleibt trotzdem Fakt
und gilt gestern, morgen heute!
unter euren schönsten Häuten-
Seid ihr alle, alle nackt!
Kater gähnt und rollt sich zur Kugel. Black
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