CHOR DER NONNEN:
Oh, Herr und Heiland, steh uns bei….
Die Liebste küsst JEDERMANN zärtlich auf die Wange.
JEDERMANN:
Du gehst?
CHOR DER NONNEN:
Oh, Herr und Heiland, steh uns bei….
LIEBSTE:
Ich höre deine Mutter kommen.
Sie sucht wohl den verlor‘nen Sohn.
Seh ich Dich noch zur späten Stunde?
CHOR DER NONNEN:
Oh, Herr und Heiland, steh uns bei….
LIEBSTE:
In deinem Haus in trauter Runde
wirst du vielleicht ja bessrer Laune sein.
Die MUTTER nähert sich in prachtvoller offener Sänfte mit großem Gefolge,
einer katholischen Marienprozession ähnlich. Nur dass diese Maria ihr Alter
mit äußerstem Aufwand versucht zu kaschieren.
Die LIEBSTE kreuzt den Weg der Sänfte und macht die Reverenz. Die MUTTER
ignoriert den Gruß und gibt ihren Trägern Anweisung, sie zu JEDERMANN zu bringen.
CHOR DER NONNEN:
Zu Gott ich um Erbarmen schrei
Herr, lass das Ende sanft uns sein
Wir geh’n in deine Freude ein.
JEDERMANNS MUTTER: klagend
Mein lieber Sohn, bin froh, dass ich dich seh.
Ist mir doch oft im so Herzen weh,
Dass über die Geschäftigkeit
dir bleibt für mich geringe Zeit.
CHOR DER NONNEN:
Oh, Herr und Heiland, steh mir bei….
JEDERMANN.
Mutter, der Abend ist kühl. Deine Gesundheit-
JEDERMANNS MUTTER.
Um meine Gesundheit kein Sorg nit hab,
Ich steh mit einem Fuß im Grab.
MUTTER hält ihrem Gesinde auffordernd ihren Weinkelch hin.
CHOR DER NONNEN: gleichzeitig
Herr, lass das Ende sanft sein
wir gehen dann in Freuden ein!
JEDERMANNS MUTTER. fasst sich ans Herz
Mein guter Sohn, ich hab ein Ahnen,
Ich werd dich nimmer lang ermahnen.
JEDERMANN:
Mutter-
MUTTER gibt den NONNEN ein Zeichen, dass es nun genug geklagt ist. Plötzlich mit
der Macht einer Vorsängerin in einem Gospelgottesdienst:
JEDERMANNS MUTTER
Du bist ein Mann
mit einem Leib
und so ein Mann
der braucht ein Weib
Glaubst du, dass Mutter das nicht kennt
wenn es im Leib so richtig
BRENNT!?
Die Nummer nimmt Tempo auf.
MUTTER: NONNEN: als Gospelecho
Ja, jeder Mann Ja, jeder Mann
und jedes Weib und jedes Weib
spürt ab und zu so ab und zu
in seinem Leib in seinem Leib
was diese Welt den Teufel nennt- Aaahhh!
Darum schuf Gott das Sakrament!
Dass unsre Lust Oh welche Lust
Das was uns treibt was uns so treibt
auch schön in der so schön ,so schön!
Familie bleibt Oohh!
MUTTER: & CHOR
Denn wo zwei Eheleute sind
da schenkt der liebe Gott
ein KIND!
MUTTER: NONNEN:
Doch wo’s der Mensch Der böse Mensch
nur gottlos treibt so gottlos treibt
wächst auf der Welt auf Gottes Welt!
kein Frauenleib No,no,no,no!
Der Teufel lacht und triumphiert-
MUTTER+ NONNEN :
Weil Mama ohne Erben stirbt!
MUTTER:
Mein lieber Sohn
erinner dich
was Mutter dich gelehrt
mit Teufelsschwänzen
spielt man nicht
weil das den Weg
ins Himmelreich
VERPERRT!
Der TEUFEL erscheint. Die Nonne kreischen in lustvoller Angst.
ALLE:
Drum zähm die Lust
geissel den Leib
denk nicht an Brust
und Scham und Weib
denk wozu wir auf Erden sind!
und schenk uns beiden
EIN KIND!!
Ja, zähm die Lust
quäl deinen Leib
damit der Welt
von dir was bleibt
treib dir den Teufel aus dem Leib!
Sohn, sei ein Mann!
Such dir ein WEIB!
JEDERMANN hat den GÄRTNER entdeckt, der bescheiden an der Seite wartet.
JEDERMANN:
Was willst du noch?
GÄRTNER:
Wollt fragen, Herr, ob ihr noch zürnt?
MUTTER:
Wer ist der Mann?
GÄRTNER:
Ich dien solang ich denken kann
Schon bei dem alten Jedermann.
MUTTER:
Ihr unser Knecht? Das wüsst ich nicht.
Vergess doch leicht sonst kein Gesicht.
GÄRTNER:
Bin auch schon viele Jahre alt
das ändert manchem die Gestalt.
JEDERMANN:
Jetzt scher dich fort. Ich stell dich frei.
GÄRTNER: zur Mutter
Doch Herrin, wo soll ich jetzt hin?
MUTTER: singt wieder wie zu Beginn der Nummer
Das Alter ist ein böser Stand.
Mir selber allzu gut bekannt.
Hat er kein braves christlich Kind?
Da hätt er früher sollt besorgen.
zwar schaffen Kinder manche Sorgen-
SIE blickt JEDERMANN mahnend an. Dieser küsst ihr die Hand.
Doch wissen auch um ihre Pflicht.
Des Alten Schicksal sei uns beidem Wink:
Sei klug, mein Sohn: schenk mir ein Kind!
JEDERMANN:
Ja, morgen! Da ist noch ein Tag!
MUTTER:
Wer weiß, wer den noch sehen mag…
CHOR DER NONNEN: laut klagend
Oh, Herr und Heiland , steh ihr bei!
MUTTERS Sänfte setzt sich in Bewegung und steuert auf den alten Gärtner zu, der zum Ausweichen gezwungen wird. JEDERMANN blickt ihr düster nach.
JEDERMANN:
Der Tod, der Tod, nicht als der Tod.
gibt’s gar nichts andres auf der Welt?
Mit ist der Tag so ganz vergällt.
Will mich bereiten für das Fest
zerstreuen mich mit Wein und Gästen
Er will ins Haus und zögert.
Bin auch der Mutter nicht mehr bös
Das Alter macht oft religiös.
Was hetzt mir doch das gute Weib
den Teufel auf den jungen Leib?
Die ist doch wahrhaft früher dran…
JEDERMANN geht ab.
GÄRTNER:
So dachte mancher Jedermann.
4. BILD AUF DEM THEATER
Der GÄRTNER hat seinen Gärtnerhut abgenommen und an seinem Heiligenschein
erkennt man den Lieben Gott.
GOTT:
Fürwahr mag länger das nit ertragen,
Dass alle Kreatur gegen mich
Ihr Herz verhärtet bösiglich.
Daß sie ohn einige Furcht vor mir
Schmählicher hinleben als das Getier-
Der TEUFEL ist wieder aufgetreten, plötzlich sehr menschlich zum GÄRTNER.
TEUFEL:
Mein Gott, was tat mit Dir man bloß?
Mir scheint ja fast: Der Liebe Gott ist arbeitslos!
GOTT: donnert in biblischem Zorn
Des geistlichen Auges sind sie erblindt,
In Sünd ersoffen, das ist was sie sind,
Und kennen mich nit für ihren Gott,
Ihr Trachten geht auf irdisch Gut allein,
Und was darüber, das ist ihr Spott!
TEUFEL:
Der Text ist gut. Allein, es fehlt an Publikum.
GOTT: jetzt auch privat
Ja spotte nur. Du hast gut lachen.
TEUFEL:
Der Teufel MUSS doch Scherze machen.
Du stellst das große Ganze vor.
Dein ist das Reich. Mein der Humor.
Wobei auch Dein Reich kleiner wird.
Hab ich da eben recht gehört?
Man jagt dich aus dem Paradies, wie dumm.
War das nicht früher andersrum?
GOTT:
Ich bin der LIEBE Gott. Das heißt-
TEUFEL:
Wenn man dich aus der Hütte schmeißt
dann gehst du auch. Wie gut du bist.
GOTT:
Was soll ich tun? Ich bin ein Christ.
Des SCHULDNERS FRAU tritt auf.
TEUFEL:
Doch da kommt Werke! Und schaut trübe.
Steht’s gar so übel mit der Nächstenliebe?
WERKE: (SCHULDNER FRAU)
Ach, red‘ mir bloß nicht von Geschäften
bin heute gar nicht gut bei Kräften.
Dabei tu ich doch, was ich kann!
Verschenkte Müh bei Jedermann.
TEUFEL:
Der Kerl ist wahrlich ein hartes Brot.
glaubt nicht an Werke, nicht an Gott-
GOTT:
Red nicht so teuflisch schlau daher.
als ob es bei dir anders wär.
Auch du bist deines Reichs beraubt
wenn keiner mehr an uns drei glaubt.
TEUFEL:
Doch glauben mehr Leut, wette ich,
an den Teufel.
GOTT:
Wundert’s dich?
Das Böse kann man täglich schau’n-
WERKE & GOTT:
Auf’s Gute muss man halt vertrau’n.
NO 8 ALLEGORIEN-QUARTETT
GOTT:
Ach was muss man heute beten
dass der Mensch nicht ganz vergisst
was denn für das Heil der Seele
wirklich von Bedeutung ist.
WERKE:
Ach was muss man heute flehen
dass der Mensch was Gutes tut
ist denn so schwer einzusehen:
Gutes tun tut selber gut!
TEUFEL:
Ach womit soll man noch drohen
dass der Mensch nicht ganz verdirbt?
wenn sogar das Fegefeuer
nur noch sanft belächelt wird.
ALLE DREI:
Alles haben wir gegeben
alles haben wir versucht
um den Menschen zu erheben
denn das ist unser Beruf.
Dass das Schöne, Gute, Helle
dito: das Spirituelle
jeden Mensch erfüllen kann
lernt doch jeder irgendwann
Jeder!
Bloß nicht Jedermann.