1. SZENE
Friedrichs großzügige und etwas verwohnte Altbauküche. Über dem Herd eine deutliche Brandspur. HEIDI und PHILIPP sind gekommen. FRIEDRICH steht aufgebracht in der Mitte der Küche, HANNES am Tisch, PHILIPP vergräbt sich in seinem Handy. HEIDI fängt sofort an, aufzuräumen.
HEIDI: Georg sagt, du sollst dir die Einrichtung nur einmal anschauen.
FRIEDRICH: Ich hab es euch hundertmal gesagt; aus dieser Haustür kriegt ihr mich nur mit den Füßen voran.
HEIDI: Dann müssen wir ja nur warten, bis du das nächste Mal vergisst, den Herd auszudrehen. Irgendwann muss es ja mal klappen.
FRIEDRICH: braust auf Natürlich hab ich den Herd ausgedreht.
HEIDI: Bloß in die falsche Richtung.
HANNES: Das ist eine der Gemeinheiten des Alters. Das plötzlich alles andersrum ausgeht. Sind aber auch fiese Dinger, diese Gasherde; warten still und heimlich bis zu deinem 75. Geburtstag, und dann Zack, sind sie plötzlich andersrum.
HEIDI: zu Hannes, als ob Friedrich nicht im Raum wäre. Wer soll sich denn um ihn kümmern, wenn was passiert? Georg und ich können ihn nicht zu uns nehmen. Und selbst wenn wir zu Friedrich ziehen würden-
FRIEDRICH: Weißt Du, warum wir uns damals entschlossen haben, in einer Kommune zu leben?
HEIDI: Ich habe mich nie entschlossen, in einer Kommune zu leben.
FRIEDRICH: Um der Kleinfamilie zu entkommen. zu Hannes Haben wir uns das alles erkämpft, um am Ende unseres Lebens wieder in der Kleinfamilie zu landen? erinnert sich. Leben in einer selbstgewählten Gemeinschaft. Frei von den Zwängen einer bürgerlichen Gesellschaft. Das war unser Ziel.
PHILIPP: ohne vom Handy aufzuschauen. Klingt cool.
FRIEDRICH:: Das war nicht ‚cool‘. Das war ein politisches Statement.
HEIDI: munter Wenn Du dir ein Heim aussuchst, IST das doch eine selbstgewählte Gemeinschaft.
FRIEDRICH schüttelt resigniert den Kopf und streichelt gedankenverloren das Wachstischtuch. Die Welt wollten wir verändern. In den Köpfen der Menschen was verändern. Wenn ich daran denke, was für Diskussionen wir hier geführt haben.
HEIDI: während sie putzt Zu neunzig Prozent darüber, wer den Abwasch macht.
FRIEDRICH: Kein Mensch hat dich gebeten, dich zu kümmern.
PHILIPP: Tut sie aber trotzdem.
HEIDI: Misch Du dich da nicht ein, Philipp.
PHILIPP: Wieso nicht? Du mischst dich auch dauernd ein. Ist doch eine super Idee so ohne bürgerliche Zwänge.
HANNES: Und da sagen die Leute immer, die Jugend ist unpolitisch.
HEIDI: Wenn ein verdrecktes Zimmer Zeichen einer linken Gesinnung ist, ist Philipp ein echter Revolutionär.
PHILIPP: wütend Opa hat Recht. Mit dir kann man echt nicht diskutieren.
HEIDI: Ich bin jederzeit bereit, eine vernünftige Meinung zu akzeptieren.
PHILIPP: Quatsch. Du bist der totale Meinungsnazi .
HEIDI: betroffen Man nennt seine Mutter nicht Nazi. Das… das ist unangemessen.
HANNES: Wieso nicht? Ich hab meine Mutter auch Nazi genannt. Meine Mutter WAR Nazi.
HEIDI: Nur weil ich mir als Einzige hier Gedanken mache über die Verantwortung-
FRIEDRICH: Wenn sich einer Gedanken über die gesellschaftliche Verantwortung macht, dann waren das WIR damals!
HEIDI: Und wer sitzt heute alleine auf 180 m²? Wie gesellschaftlich verantwortlich ist denn das?
FRIEDRICH will etwas antworten, aber ihm fällt nichts ein.
HANNES: Dein Vater sitzt ja nicht freiwillig alleine hier. Wenn deine Mutter noch leben würde-
FRIEDRICH: Nein, nein. Sie hat ja Recht. Wie viele waren wir damals?
HANNES: Zu Spitzenzeiten? Lass mich nachdenken. Wir drei, Stefan und Angelika, Akki und diese Blonde, wie hieß die noch, und dann noch Lore- Oh Gott… lacht Acht. Mit Brauni neun. Oder war der damals schon im Knast?
FRIEDRICH und HANNES lachen sehr privat. PHILIPP staunt.
HEIDI: spitz Und zwei Kinder. Aber die zählen natürlich nicht.
HANNES: Schön war’s.
FRIEDRICH: Das kommt nicht wieder.
HANNES: Warum eigentlich nicht? Es macht Ping. HEIDI setzt sich kerzengerade auf.
HEIDE: Nur über meine Leiche.