Leseprobe JUMPING JACK
von Wolfgang Böhmer und Peter Lund
alle Rechte bei den Autoren ©
1. Szene (Ausschnitt)
In Hennings Apartment. Wohnzimmer und Janeks Zimmer. Janek, Franziska, Henning
Henning:
-und das ist Franziska.
Franziska:
Hey. Und wer bist du?
Henning:
Das ist Janek.
Franziska:
Kann er das auch selber sagen?
Henning:
Laß ihm ein bißchen Zeit, o.k.? Und wie findest du dein Zimmer?
Janek:
Hoch.
Henning: stolz
Tja, mein Lieber, das ist der vierzehnte Stock. Von hier aus kannst du bis zu den Alpen gucken.
Franziska:
Es ist der dreizehnte.
Henning:
Was?
Franziska:
Du wohnst im dreizehnten Stock. Er heißt bloß vierzehn, damit das abergläubische Volk nicht von der Brüstung hüpft.
Henning:
Auf jeden Fall ist es OBEN.
Franziska:
Dein Vater guckt gerne auf Dinge runter.
Henning:
Ich bin täglich bis vier in der Agentur und Franziska in der Uni. Videorecorder steht im Schlafzimmer, wenn du Hunger hast, bestell dir 'ne Pizza. Die Wohnung gehört dir.
Franziska:
Können wir das ein bißchen differenzieren? Dein Kram gehört ihm. Meiner nicht.
Henning guckt Franziska kurz an.
Franziska: seufzt
Ich glaube, ich laß euch beiden Jungs mal alleine. Hast du Hunger?
Janek nickt
Franziska: knapp
Der Kühlschrank steht in der Küche.
Franziska geht aus dem Zimmer. Kurze Pause.
Henning:
Sie mag dich. Wenn sie so ist, mag sie einen. Aufpassen muß man erst, wenn sie freundlich wird.
Henning fängt an, Janeks Tasche auszupacken.
Janek:
Ich will hier nicht bleiben. Ich will zurück zu Claudia.
Henning:
Das geht nicht. Das weißt du.
Janek:
Warum nicht?
Henning: zögert, dann betont locker:
Weil deine Mutter momentan ein bißchen von der Rolle ist, ok.?
Janek:ruhig
Mama hat versucht, sich umzubringen.
Henning schiebt Janek den Karton hin.
Henning:
Pack deine Sachen aus.
Janek:
Weil ihr Leben so beschissen ist.
Henning:
Deine Mutter hat nicht versucht, sich umzubringen.
Janek:sieht Henning an.
Weil du sie verlassen hast.
Henning wird langsam sauer.
Henning:
Deiner Mutter geht es immer beschissen. Egal, ob man sie verläßt oder nicht. Außerdem hab ich sie nicht verlassen, wir haben uns getrennt.
Janek:
Und deswegen hat sie versucht, sich umzubringen.
Henning:
Die haben nicht mal einen Krankenwagen gerufen.
Janek:
Und warum kann ich dann nicht bei ihr bleiben?
Henning:
Ich hab dich eh viel zu lange in diesem männerlosen Haushalt sitzen lassen.
Janek:
Wir sind kein männerloser Haushalt.
Henning: wachsam
Wieso? Gibt's da wen?
Janek:
Mich gibt's.
Henning muß sich das Lachen verkneifen und sieht seinen Sohn liebevoll an.
Henning:
Und du bist schon ein Mann?
Janek hat eine abgeliebte, dürre Puppe aus der Tasche geholt.
Henning:
Was ist denn das?
Janek:
Jumping Jack.
Henning:
Und wer ist.. Jumping Jack?
Janek:
Mein Freund.
Henning:
Meinst du nicht, dafür bist du ein bißchen zu alt?
Janek:
Für einen Freund?
Henning:
Daß du noch mit Puppen spielst.
Janek:
Das ist keine Puppe. Der hört mir zu.
Henning:
Ab jetzt hör ich dir zu, o.k.?
Janek:
...o.k.-
Henning:
Und du gibst mir dafür deine...deinen Jumping Jack. Abgemacht?
Henning will nach der Puppe greifen, aber Janek ist schneller.
Janek:
NEIN!
Franziska:off
HENNING! Kannst du mal deinem Sohn sagen, er möchte seinen restlichen Müll aus dem Flur räumen?
Henning:
Janek, das gefällt mir nicht.
Janek:herausfordernd
Weil ein Mann nicht mit Puppen spielt ?
Henning:
Klar spielt ein Mann mit Puppen. Aber er redet nicht mit ihnen.
Franziska:off
HENNING!!!
Vater und Sohn sehen sich schweigend an.
Janek:
Ich hab meine Puppe und du hast deine Puppe.
Henning zieht die Augenbrauen hoch. Die Kampfansage sitzt.
Henning:
Ich hab dich wirklich zu lange bei deiner Mutter gelassen.
Janek ist allein in seinem Zimmer, setzt Jack auf's Bett, Jack wird lebendig.
Jack:
Und das ist also dein Vater. Komisch. Ihr seit euch überhaupt nicht ähnlich.
Janek:
Zum Glück.
Jack:
Er ist so selbstsicher.
Janek:
Hm. Und was bin ich?
Jack:
Du bist sensibel.
Janek:
Das hört sich sehr so an, als wäre sensibel sein nicht ganz so gut wie selbstsicher sein.
Jack:
Das bildest du dir ein.
Janek:
Tu ich nicht.
Jack:
DU bildest dir alles mögliche ein. Mich bildest du dir ja auch ein.
Janek:
Warum ist mein Vater selbstsicher und ich sensibel?
Jack:
Weil dein Vater ein Gewinner ist. Einer, der weiß, wie's läuft.
Janek:
Wie was läuft?
Jack:
Wer wie was warum. Wer nicht fragt bleibt dumm. Alles. Das mit dem Geld. Das mit den Frauen. Das Leben. Das ganze Spiel halt.
Janek:
Mein Leben ist kein Spiel.
Jack:
Aber natürlich ist dein Leben ein Spiel. Du befindest dich gerade auf Level fünf, hast 7349 Punkte auf deinem Energiekonto und noch sechs Leben.
Das Leben ist Spiel, Janek
man braucht gar nicht viel, Janek
ein bißchen Geschick
ein bißchen Tak- tik.
ein bißchen Gefühl
doch vor allem brauchst du ein Ziel
denn es kriegt ja nur der den Preis
der wirklich weiß, Janek
was er will.
Henning wird mit Franziska im Nebenzimmer sichtbar. Henning lauscht.
Henning:
Er redet mit dieser Puppe. Das ist doch krank.
Franziska:
Von mir aus kann er sich mit der Heiligen Jungfrau unterhalten, solange er die Klobürste benutzt.
Henning:
Wird er schon.
Franziska:
Hat er aber nicht. Kaum ist dein Sohn eine dreiviertel Stunde in der Wohnung, zieht sich eine Schleifspur von pubertärem Dreck, Chaos und Unordnung vom Bad über die Küche durch den Flur in sein Zimmer, daß eigentlich MEIN Zimmer ist.
Henning:
Bei Claudia kann er nicht bleiben.
Franziska:
Warum nicht?
Henning.
Ich will, daß mein Sohn lernst, daß das Leben aus mehr besteht als aus vier esoterischen Sinnkrisen im Jahr.
Franziska:
Du meinst, du willst ihm ein neues Weltbild vermitteln?
Henning:
Zumindest braucht er Alternativen. Und die kann ich ihm bieten.
Franziska:
Meinst du den Videorecorder oder die Pizza?
Franziska grinst Henning herausfordernd an. Henning küßt sie. Die Stimmung kippt um. Es wird erotisch. Franziska fängt an, musikalisch zu improvisieren und zieht dabei Henning aus.
No 4 Du machst aus mir einen richtigen Mann
Franziska:
Dab-du-bah...
Henning.
Du machst mich verrückt
du machst mich so heiß
du machst mich fast krank
du bist der Preis
den Mann haben muß
mit einem Kuß
von dir
machst du
aus mir
einen richtigen Mann...
Franziska und Henning schlafen miteinander. Janek wird wieder sichtbar.
Henning:
Du machst mich verrückt
du machst mich zum Kind
du machst mich so dumm
du machst mich blind
ich find nicht zurück
mit einem Blick
von dir
machst du
aus mir
einen richtigen Mann.
Jack:
Dein Vater ist nicht nur ein Gewinner, er hat auch noch fantastischen Sex.
Janek:
Das interessiert mich nicht.
Jack:
Du bist vierzehn und interessierst dich nicht für Sex?
Janek:
Sex, den mein Vater hat, interessiert mich nicht.
Jack:
Mich schon.
Jack macht die Tür einen Spalt weit auf und linst ins Schlafzimmer.
Henning.
Ich hab dich geseh'n
und plötzlich war mein Hirn wie weggespült
so hab ich mich zum letzten Mal gefühlt
da war ich siebzehn-
einhalb
Ich hab dich geseh'n
mit deinem fetten Kerl und hab gewußt
mit dem machst du noch heute abend Schluß
weil du ab heute mir gehörst-
und seitdem-
Machst du mich verrückt-
Franziska richtet sich plötzlich auf und guckt Richtung Janek.
Franziska:
Guck mal. Wir haben Besuch.
Janek wird knallrot und weiß nicht, was er sagen soll.
Franziska:
Hat deine Mama dir nicht beigebracht, daß man nicht an fremden Türen lauscht, du kleiner Spanner? Oder willst du noch was lernen?
Franziska steht ungeniert nackt auf und macht Janek die Tür vor der Nase zu.
Franziska:
Schlaf gut. Und träum was Schönes.
Das Schlafzimmer mit Franziska und Henning verschwindet. Janek alleine, Jack ist wieder eine Puppe.
Janek:
Jumpin Jack
ich möchte gern sterben
Jumping Jack
jetzt und sofort
Henning: (off)
Du machst mich verrückt-
Janek:
Jumping Jack
ich will so gern fliegen
Henning:
du machst mich so stark-
Janek:
könnte ich fliegen
Henning:
ich bin der Pirat
und du bist der Schatz
Janek:
so richtig fliegen mit dir
Henning:
mit einem Satz
von dir
machst du
aus mir
Janek:
wär ich schon lange nicht mehr hier...
Henning:
Einen richtigen MANN!!
Langsam wird es dunkel.