Die Rollen:
Im "Büro":
Katharina, am längsten dabei
Maria, schon lange dabei
Franziska, die Neue
1626
Der Mann
Maria
Der Knecht
1943
Katharina von Passevent
Annemarie Windmöller
Ellen von Ott
1977
Frau Rotluff
Ingrid Gradow
Franziska Oerten
Anmerkung: Das Stück spielt in einem abstrakten, zeitlosen Raum. Die einzelnen Szenen werden manchmal musikalisch oder durch Licht gegliedert, manchmal soll gerade durch nahtlose Übergänge eine Irritation entstehen. Im Idealfall entsteht beim Zuschauer eine Art kriminialistische Lust, die drei Handlungsstränge zusammenzusetzen. Hauptsächlich sollen die Geschichten durch den Tonfall bzw. Distanz/ Intimität zwischen den Darstellern kennbar gemacht werden; Wichtig wäre für die surreale "Büro-Ebene" ein sehr entspanntes "Backstage"- Gefühl; die drei Darstellerinnen quasi in der Garderobe. Die mit **** gekennzeichneten Zeilen markieren sogenannte "Jingles" (siehe Klavierauszug).
I. Teil
Leere Bühne. Ein Klavier. Eine Kaffeemaschine. Drei Stühle. Viele Packen weißes Kopierpapier.
Der Pianist am Flügel. Ein Walzer. Katharina tritt auf und lächelt den Pianisten an.
Über Musik:
Katharina:
Im März 1943 ist der Pianist Karlrobert Kreiten anläßlich eines Konzertes in Berlin.
Eine Freundin seiner Mutter hat ihm freundlicherweise ihre Wohnung zum Üben zur Verfügung gestellt. Bei einer Tasse Kaffe unterhalten sich die beiden über den Stand des Krieges, und Karlrobert Kreiten gibt seiner Meinung Ausdruck, Hitler sei krank und einem solchen Wahnsinnigen sei nun das deutsche Volk ausgeliefert.
Der Krieg sei praktisch verloren.
Sie trinkt. Das Motiv setzt wieder ein.
Die mütterliche Freundin ist entsetzt und erzählt einer Hausnachbarin von dem Gespräch, was diese widerum mit einer Kollegin in der Frauenschaft erörtert.
Am 3. Mai 1943 um acht Uhr morgens wird Karlrobert Kreiten in einem Heidelberger Hotel verhaftet.
*****
Vier Monate später verurteilt ihn der Volksgerichthof wegen Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung zum Tode.
*****
Vier Tage danach wird das Urteil vollzogen.
Maria tritt mit einem Aktenordner auf. Musikeinsatz
Maria: liest
Anno Domini 1624 ruft die Schultin Maria Gröning das Kirchengericht zu Trier in der Klage gegen ihren Mann Heinrich Gröning, Schulte in Ebersdorf.
Ihm Mann stehe mit dem Satan im Bunde, bete des Nachts zum Teufel und wäre wohl gar bei Vollmond auf einem Melkschemel über dem Dammsberg gesehen worden.
Neues Motiv beginnt
Nachdem der Schulte, auf der Streckbank geständig, auf dem Marktplatz zu Trier hingerichtet, heiratet Marai Gröning in zweiter Ehe den Ersten Knecht des Hofes, um vier Monate später mit einem gesunden Knaben niederzukommen.
*****
Neuer Musikeinsatz. Franziska tritt auf
Franziska:
1992 erfährt die ostberliner Schauspielerin Ingrid Gradow bei Einsicht ihrer Akte, daß sie in den Jahren 77-79 von der Staatssicherheit oberserviert wurde, davon über sieben Monate von ihrer damals besten Freundin, Franziska Oerten.
*****
Franziska Oerten, damals tätig als Volontärin für einen überregionalen Berliner Verlag, arbeitet heute beim hessischen Rundfunk und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Frankfurt.
Katharina guckt irritiert *****
Am Main.
Maria guckt irritiert
No 1 : Fuge Trau, Schau, Wem
Katharina:
Trau, schau, wem
wer schmeißt denn da mit Lehm?
Die Welt ist doch ein Jammertal
und schwindeln tun wir alle mal
Trau, schau, wem
der Mensch ist zu bequem
Maria:
Trau, Schau, wem
Da fehlt es am System
zu selten hat der Mensch Moral
und wenn, dann ist es auch egal
Trau schau wem-
Franziska:
Und ist wer nicht genehm
Dann hört die Nächstenliebe auf
der wird verraten und -?
Franziska+Katharina+Maria:
Trau, Schau, wem
wer schmeißt denn da mit Lehm?
Wer hörte da zu singen auf?
Laß nur den Dingen ihren Lauf
und
Au-ßer-dem
ist das nicht mein Problem
Black
Katharina und Maria sitzen und schneiden akribisch das weiße Papier in Streifen.
Im Büro. Athmosphärische Geräusche, Scherengeklapper. Ein großer, ungemütlicher Raum. Katharina engagierter als Maria.
Maria:
Jetzt könnt aber schon mal wieder jemand kommen.
Katharina:
Hm.
Maria:
Wir sind immer zu dritt gewesen.
Katharina:
Wir kriegen schon jemanden.
Maria:
Ist langweilig, so zu zweit.
Katharina:
Dann arbeite.
Maria:
Ich tu nix anderes.
Pause
Maria:
Katharina?
Katharina:
Was?
Maria:
Wird´s dir nie langweilig?
Katharina:
Nein.
Maria:
Unglaublich.
Pause. Maria liest auf dem Papier, das sie gerade zerschneidet:
..........
Maria (Gröning):
Wie schwer das Korn am Halm steht. Hat´s das wohl schon gegeben?
Ein Jahr ist daß zum Herrgott preisen. Ihm muß doch auch das Herz
schier platzen, wenn er an all die Taler denkt, die uns das bringt-
Und stiert da raus wie sieben Tage Regenwetter! Nun gut, er ist halt nicht
der Jüngste! Wir hätten längst schon einen Knecht bestellen sollen.
Und dieser aus dem Vogtland sieht doch
aus, als ob er drei Sack Korn mit einm Male nehmen könnt.
Katharina: unwirsch
Maria!
Maria:
Gut, gut, ich halt den Schnabel!
Pause
Wenn denn schon nicht die eigne Frau ihm raten soll-
Franziska tritt auf
Franziska:
Bin ich hier richtig?
Maria:
Das kommt drauf an.
Katharina:
Zu wem wollen Sie denn?
Franziska:
Ich bin die Neue.
Maria und Karharina beobachten sie schweigend. Franziska macht einen Spielvorschlag:
Franziska:
Ich möchte mich beteiligen beim Aufbau und der Verwirklichung der sozialistischen Idee.
Katharina:
Haben Sie das auswendig gelernt?
Franziska:
Ja.
Katharina:
Sie sind ziemlich ehrgeizig?
Franziska:
Ja.
Kathrina:
Ich mag keine Menschen, die Parolen nachblubbern.
Franziska:
Ich auch nicht.
Katharina:
Ich hoffe, Ihre Artikel sind ein bißchen origineller.
Katharina ab. Musikende, Athmosphäre setzt ein.
..........
Franziska: erschlagen
Puh- ist das hier immer so?
Maria:
Katharina ist sehr genau.
Franziska: fängt an zu schneiden
Scheint so. Find ich aber gut.
Maria:
Klar.
Franziska:
Ich mag Leute mit Rückgrad.
Maria: lacht
Solange man ihnen nicht quer kommt.
Franziska:
Wie- quer?
Maria: verschwörerisch
Bei Katharina muß eben alles seine Ordnung haben.
Franziska: geraderaus
Muß es doch auch.
Maria: pikiert
Solange ihr dieselbe Ordnug habt.
Franziska:
Ich denke schon. Das wichtigste ist halt die Arbeit.
Maria: stöhnt
Stimmt- ihr habt dieselbe Ordnung.
Franzsika grinst frech. Maria wieder versöhnt. Franziska arbeitet in rasendem Tempo
Maria ( Gröning):
Welch Batzen er so wegschafft.
Athmosphäre verstummt
Der Hof gedeiht mit ihm. Will mir fast scheinen, sogar das Wetter hätte er in seiner Hand, so prächtig paßt es auf den Roggen.
Franziska (Knecht):
Ich tu, was ich muß, nicht mehr, nicht weniger.
Maria:
Mein Mann glaubt auch, mit ihm hätt er den rechten Griff getan.
Franziska ändert die Spielebene;
Franziska (Ellen):
Wir verlieren den Krieg.
Maria: ( Annemarie) plötzlich still
Wer hat das gesagt?
Franziska: holt einen Lippenstift aus der Tasche und schminkt sich.
Der Klavierspieler aus München. Den ich für drei Wochen zu Besuch hab. Der Sohn von der Emmy.
Maria:
Der Robert? Was hat der gesagt?
Franziska:
Der Krieg ist den Bach runter. Perdu. Und im Ausland lachen sie schon über uns und wünschen uns die Russen an den Hals.
Maria:
Der weiß doch nicht, was er redet!
Franziska:
Beinahe aufgemalt hätte er es mir. Wo die Briten stehen und wo die Russen und wo sie sich treffen. Und der Führer wäre schon lange verrückt.
Maria:
So darfst du nicht reden! Und wo?
Franziska:
Ich weiß nicht. Hab nicht zugehört.
Maria:
Am Rhein, oder?
Franziska:
Du hast es also auch schon gehört.
Maria:
Ich glaub´s aber nicht.
Franziska:
Wie der Robert so am Klavier gesessen hat- so wütend und gewiß-Annemarie, du hättest ihm auch geglaubt.
Maria:
Hast dich am Ende noch verguckt in diesen Sabbelkopf.
Franziska:
Der könnte mein Sohn sein!
Maria:
Der säß dann aber nicht am Klavier sondern wär mit meinem Walter in Polen.
FRanziska:
Hast du was gehört?
Maria:
Drei Wochen nicht.
Franziska:
Der junge Kreiten sagt, im März sind sie durch Polen durch.
Maria:
Jetzt red noch, daß man ganz und gar den Mut verliert.
Franziska:
Der weiß doch gar nicht, was er sagt.
Maria:
Verboten gehört das, einem solche Angst einzujagen.Verboten.
So kannst du auch nur reden, weil du keinen im Felde zu stehen hast, Ellen.
Kein Wort glaub ich davon! Der Walter schreibt, das ist alles wegen der Frontbegradigung, und der muß es ja schließlich wissen!
Franziska: fängt an, sich die Lippen zu malen, reicht dann Maria den Lippenstift.
Ja, wenn du glaubst.....
Katharina tritt auf.
Katharina:
Seit wann tragen wir denn Lippenstift?
Maria:
Ist von Franziska. Gefällt´s dir?
Katharina:
Na ja.
Maria:
Willst du auch mal?
Katharina:
Nein. Ich glaube nicht.
Maria:
Stünde dir bestimmt gut.
Katharina:
Danke. Ich wirke von Innen.
Maria:
Der schmeckt nach Erdbeer.
Katharina:
Bitte?
Maria: macht einen Kußmund
Lecker.
Katharina: wütend
Na, Hauptsache, ihr habt Euren Spaß....
Maria guckt, seufzt dann, nimmt ein Tempo raus und wischt den Lippenstift ab.
..........
Maria (Gröning):
Ich habe Worte gewechselt mit einem fremden Mann.
Katharina schweigt
Maria:
Ist das eine Sünde? Ich hab gefragt die Birbichler, Anna, die wo lesen kann, ob in der Bibel etwas darüber steht, mit einem fremden Mann Worte zu wechseln, und sie hat nichts gewußt, daß die heilige Schrift so etwas verbietet. Aber vieles ist eine Sünde, von dem man nicht weiß, ob es in der Bibel steht oder nicht, aber dieser Mann- wie er so dasteht, wenn er den Rechen hält und mich anschaut mit seinen dunklen Augen und mit mir spricht und mir erzählt- Ist das eine Sünde, Vater?
..........
Katharina (von Passevent):
Ein Verbrechen ist das von der Ott! Dir solche Flausen in den Kopf zu setzen.
Und daß du ´s rumerzählst, ist fast genauso schlimm.
Maria (Annemarie):
Ich frag dich bloß, was du davon hältst.
Katharina:
Und sitzt hier rum wie ein Häufchen Elend. Das nenne ich mit Recht Volksverhetzung.Und von einem, der nicht einen Tag im Graben war.
Maria:
Und wenn der Kreiten recht hat?
Katharina:
Annemarie!
Maria:
Hier sitzen wir und machen und tun und alles für den Führer, und ob der was draus macht, das weiß der Himmel-
Katharina:
Das siehst du's- Soweit bist du schon! Verstehst du nicht- das ist derm Feind! Der will und doch nur den Glauben ruinieren. Warum, meinst du haben wir die letzten vier Jahre nur gesiegt?
Maria:
Jetzt tun wir´s jedenfalls nicht mehr.
Katharina:
So haben wir den ersten Krieg doch schon verloren. Da haben uns die Roten unsern Glauben weggeschwafelt, und jetzt tust du das! An der Front war der Krieg noch lange nicht aufgegeben-
Maria:
Ich weiß!
Katharina:
Und hast nichts besseres zu tun, als diesen Blödsinn rumerzählen!
Maria:
Es tut mir leid.
Katharina:
Böse soll´s dich machen! Und wenn die Ott wieder damit anfängt, kriegt sie eins aufs Maul.
Maria: lacht hilflos
Der den Mund verbieten!
Katharina:
Dann tu ich's.
Maria:
Was du dich immer traust!
Katharina:
Was glaubst denn du?
Franziska ist auf die Bühne gekommen, ohne von den anderen Notiz zu nehmen
..........
Katharina: (Rotluff) zu Franziska
Wie lange sind Sie jetzt bei uns?
Franziska (Oerten): reicht ihr einen Artikel, den Katharina im folgenden redigiert
Am nächsten Ersten werden es drei Monate.
Katharina:
Haben Sie sich- eigentlich schon mal Gedanken gemacht über ihre Zukunft?
Franziska:
Verrat liegt in der Luft-
Katharina:
Verrat liegt in der Luft-
Maria:
Verrat liegt in der Luft-
No 7 Verrat liegt in der Luft
Alle drei
Verrat
liegt in der Luft
ein kleiner Hauch
von "sag ich´s jetzt?"
dieses gefährlich schöne Spiel
und dieses herrliche Gefühl
im Bauch (-Bauch- Bauch)
wenn man was petzt!
Verrat
liegt in der Luft
ein bißchen Gift
zur rechten Zeit
geträufelt in das rechte Ohr
oder auch links- das kommt schon vor-
dann schreit (- schreit- schreit)
der, den es trifft!